Ballade vom lieben Augustin – Tag 17 der Corona Krise

(von FRANZ KARL GINZKEY)

War einst ein Spielmann im lustigen Wien,
Augustin hieß er, und wo er erschien
Lachten die Leute and freuten sich sehr.
War doch kein andrer so lustig wie er.

Saß er im Wirtshaus beim funkelnden Wein,
Trank er so lang, bis kein Heller mehr sein.
Siehe, dann sang er mit fröhlichem Sinn:
O du lieber Augustin, alles ist hin!
Kommt doch für jeden die Zeit auf der Welt,
Dass ihm sein Glück auf ein Häuflein zerfällt.
Wohl ihm, vermag er mit Trostes Gewinn
Fröhlich zu singen dann: alles ist hin!

Einst schlich Frau Pest sich nach Wien in die Stadt,
Tausende fraß sie und fraß sich nicht satt.
Bald gab’s kein Haus, wo der Tod nicht erschien.
Schrecken erstarrt lag das lachende Wien.

Einer nur war, der den Mut nicht verlor.
Dudelsackpfeifend und keck wie zuvor
Blieb nur Freund Augustin, immer bereit,
Lustig zu sein in der schrecklichen Zeit.

Einmal geschah’s, und es war in der Nacht,
Augustin gab auf dem Heimweg nicht acht,
War ganz beseligt von Mondschein und Wein,
Fiel in ein Pestloch–mitten hinein.

Tote auf Tote dort lagen zu Hauf,
Augustin purzelte mitten darauf.
Aber er sagte: „Was schert mich die Pest?“
Schlief dann so fest, wie die Ratten im Nest.

Tote auf Tote noch warf man zu Hauf,
Plumps auf den schlafenden Spielmann hinauf.
Aber als Augustin morgens erwacht,
Sprach er: „Ich schlief eine köstliche Nacht!“

Als man dann nahte mit Grabesgesang,
Scholl aus der Grube ein Dudelsackklang.
„Jesus, Maria, wer ist denn da drinn?“
„Augustin“, schrie er, „und alles ist hin!“

Solcherlei Fröhlichkeit wirkte mit Macht,
Dass selbst zwei Tote noch lachend erwacht.
Lachend ergriff man ein rettendes Seil,
Zog aus dem Pestloch sie munter und heil

Als nun Frau Pest von der Sache erfuhr,
Sprach sie zum Tod: „Das ist Wiener ‚Hamur‘!
Solcher ‚Hamur‘ ist mir grässlich verhasst,
komm, lass uns anderswo weilen zu Gast!“

Fluchend verließ sie die lachende Stadt,
Hungrige Pest wird von Lachen nicht satt.

Funkelnder Wein und der rechte Humor
Treibt selbst die Pest und den Tod aus dem Tor.

Augustin N. („Lieber Augustin“), * 1645, + 11.3.1685 Wien (angebl. 3, Nikolaifriedhof),
Bänkelsänger, Sackpfeifer, Stegreifdichter.

Der „Liebe Augustin“, wie er in der Sage genannt wird, soll 1679, von den Pestknechten für tot gehalten, als er sich nach ausgiebigem Zechen auf dem Heimweg befunden hatte, in eine Pestgrube bei der Kirche St. Ulrich geworfen worden sein. Als er wieder Lebenszeichen von sich gab, holte man ihn heraus, und er setzte sein bisheriges Leben fort. Im städtischen TBP (Totenbeschauprotokoll) ist sein Tod vermerkt, anstelle seines Zunamens jedoch nur ein „N.“ eingetragen. Bereits zeitgenössische Quellen (darunter eine offizielle Publikation) nehmen auf den gesund der Pestgrube entstiegenen Augustin Bezug. Das bekannte Lied „Oh du lieber Augustin“ kam erst um 1800 nach Wien.