Corona und die blinden Flecken der globalisierten Wirtschaft – Tag-87 der Corona Krise

Corona hat vieles öffentlich gemacht und seine Scheinwerfer auf Stellen gelenkt, die in der Vergangenheit ein Schattendasein fristeten, ja vielleicht sogar bewusst dieses Schattendasein erdulden mussten. Die Wanderarbeiter, die maroden Gesundheits- und Pflegesysteme, die veralteten Bildungssysteme, die prekären beruflichen Arbeitssituationen junger und mittelalterlicher Menschen, so wie ich einer bin, und dass wir alle in dieser globalisierten Welt von der Covid-19 Pandemie betroffen sind.

In meiner Jungend lachten wir darüber, wenn wir sagten: „Das was in China passiert, interessiert mich soviel, als wenn in Miami ein Radl umfällt“. Damals war es eine Metapher für irgendein belangloses Thema aus China und heute beeinflusst das, was auf einem chinesischen Markt passiert, unser eigenes Leben.

Als Wirtschafterin bin ich wenig verblüfft, jeden Tag aufs Neue zu erleben, wie Staaten um ihre geopolitische Vormachtstellung kämpfen, aber es hat mich doch überrascht zu sehen, wie abhängig wir Europäer vom Rest der Welt sind.

Und nicht nur das, wir Nationalstaaten können wirtschaftlich ohne Europa nicht mehr leben, zu eng sind unsere wirtschaftlichen Verflechtungen und das, so denke ich zumindest, ist das einzig Gute an Corona. Als immer währender Optimist glaube ich daran, dass die Europäische Gemeinschaft gestärkt aus dieser Pandemie hervortreten wird und die 750 Milliarden Euro für den „Wiederaufbau“ gut investierte Gelder sein werden.

Als glühende Europäerin geht es für mich jetzt auch darum, niemanden zurückzulassen, weder Spanien, noch Italien. Wir sind eine Wirtschafts- und Währungsunion, eine Gemeinschaft der Vielfalt, wachsender Nationalismus, wie zur Flüchtlingskrise, war und ist meiner Meinung nach unangebracht. Jetzt eine Vergemeinschaftung zukünftiger Schulden abzulehnen wäre kontraproduktiv. Warum? Weil wir längst nicht mehr ohne einander können? Italien ist unser drittstärkster Exportpartner, hinter Deutschland und USA, und unser zweitstärkster Importeur, noch vor China. Italiens Möbelbauer setzen auf Holz aus Österreich und wir importieren Maschinen und Autos. Wir liefern Waren im Wert von knapp 10 Milliarden Euro nach Italien. Für die österreichische Volkswirtschaft, deren Wirtschaftsleistung 2019 bei rund 400 Milliarden Euro lag, keine unbedeutende Summe, und gerade weil die Wirtschaftsleistung Österreichs nur rund 1/4 der Wirtschaftsleistung Italiens und nur rund 1/3 der Wirtschaftsleistung Spaniens ausmacht, haben diese Ländern die österreichische Solidarität mehr als verdient. Keiner hat sich Covid-19 gewünscht, jetzt wo diese Naturgewalt über uns alle hereingebrochen ist, geht es auch ein Stück weit darum, gemeinsame Antworten in der EU zu finden, z.B. digitale Konzerne zu besteuern, CO2-Steuern anzugehen und die Wirtschafts- und Währungsunion nicht länger als Selbstzweck zu betrachten. Sie ist eine Möglichkeit zur Verbesserung des Lebens der Bürgerinnen und Bürger in den EU-Ländern, auch in Österreich. Sie ist eine Möglichkeit, Europa mit größerer sozialer Gerechtigkeit auszustatten und eine Chance, endlich einen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen.

Wenn unsere Politiker Freitags erkennen, dass das Vorantreiben der Kooperation auf europäischer Ebene uns Österreicher stärkt und dabei noch ihre eigene Macht absichert, werden sie einem gemeinsamen Aufbauplan zustimmen. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Denn 70 Jahre zurückzureisen, sprich sich zurück zur Vergangenheit zu beamen, wo wir unsere Güter fast ausschließlich in Österreich verkauften, wird selbst unser außerordentlich beeindruckender Bundeskanzler in seiner Amtszeit nicht mehr schaffen.