Härtefallfonds – Tag 19 der Corona Krise

„Ich bin’s …“, nein, nicht „dein Fernseher“, sondern ein EPU, ein Ein-Personen-Unternehmen. Eines von 316.000 EPUs in unterschiedlichsten Branchen. Biographische Details? Frau, 55+, beratende, coachende, trainierende, workshoppende, vortragende Dienstleisterin mit Schwerpunkt Sozialkompetenz-Themen. Professionell arbeitend von Auftrag zu Auftrag. Fragen? Keine? Dann ist es gut. Noch ein interessantes Detail für Sie: Planbarkeit kommt in meinem EPU-Wortschatz selten vor. Heißt was? Seriöse Umsatz-Planung ist und bleibt in meinem Business volatil.

Wieso? Weil z.B. Mehr-Jahres-Beraterverträge mit abgesegneten 200 Mann-Tagen pro Jahr und einbetonierten Honorarsätzen schwer zu ergattern sind – schlechte Verkäuferin oder einfach kein Glück gehabt? Weil sich Auftragsklärungsgespräche zum Nulltarif – mein kostenloses Kundenservice – zum Teil in Wochen- und Monatslängen ziehen. Sie meinen „selber schuld“? Keine planbar fixen Monatsumsätze zu haben, bedeutet schon „ohne Corona“, viel Geduld auf- und privaten finanziellen Atem mitzubringen. Sie halten mich für edel? Ja, ich habe als EPU „aufgesperrt“, um nicht wieder „zusperren“ zu müssen.

Nun stand das „unplanbare“ Geschäftsjahr 2020 vor meiner Tür und es ist super angelaufen. Zugesagte Lesungen, gebuchte Workshops, konkrete Anfragen zur Prozessbegleitung und Einzelcoachings, dann kam Corona. Mein EPU steht still. Verschiebungen oder Absagen? Who knows?! Ja, jetzt wird’s finanziell eng. Vizekanzler Kogler verspricht: „„Cash on the hand“, unbürokratische Soforthilfe von 5.000 Euro.“ Wow, selbst die Davids unter den Goliath-Unternehmen sollen in unserem Land etwas bekommen!

Mir kostet das ein Lächeln, ein saures, als ich am Sonntag, 29.3.2020, auf das elektronische Antragsformular des Härtefallfonds klicke. Nein, Klick zurück, ich muss vor dem Ausfüllen den Leitfaden lesen. Das ist die Anweisung. Mir schwirrt der Kopf: „Was wohl in den „Köpfen“ von WKO und AMS vorgehen würde, wenn sie selbst diesen Antrag stellen müssten?“ Nettoumsatz-Obergrenzen, Nettoumsatz-Untergrenzen, hochgeladener Einkommenssteuerbescheid, oder NEIN anklicken, eidesstattliche Erklärung abgeben … Fehlt nur noch das sekundenschnelle Vorlegen eines polizeilichen Führungszeugnisses … Vertrauen sieht anders aus. Wollte uns „Kleine“ die Regierung mit dem Härtefallfonds nicht stärken? Fühle mich vor meinem PC eher an die Wand gestellt: „Hände hoch, her mit deinen Daten!“ Habe ich bei den offiziellen Pressekonferenzen etwas falsch verstanden?

Übrigens, eine ungesicherte Quelle hat mir im Vorfeld zugeflüstert, die eingezogene Untergrenze soll vermeiden, dass „Kerzerl-Party-Frauen“ mit ihrem 2000,00 Euro „Jahres-Taschengeld“, die wirtschaftlich verheiratet, d.h. finanziell an einen Ehemann gebunden sind, ein Härtefall sind! Uij, Neid? Uij, wer oder was entscheidet nach wie vor was Frauen-Arbeit wert ist, wenn sie überhaupt was wert ist? Die 500 WKO-Mitarbeiter, die für dieses Projekt angeblich eigens abgestellt worden sind? Oder doch ein Algorithmus?

Uij, meine Antragssitzung ist abgelaufen. Ich fliege aus dem System. Also alles nochmals reintippen. Gott sei Dank habe ich die digitale Passkopie parat. Die soll ich aber erst vor dem Absenden hochladen. Kurze Gedankenpause: „Hoffentlich besitzen alle EPUs einen Scanner!“ Die ersten Felder des online-Formulars sind wieder befüllt. Geschafft!  Mein Tabulator springt auf KUR. KUR? Was? Was soll ich jetzt mit einer Kur? Spaß beiseite, KUR ist ein Code, für den ich mich laut Sternchen-Anleitung beim USP registrieren lassen muss. Dort gibt’s für mich eine KUR, also den geheimen Code. Am Sonntag, 29.3.2020, ein Pflichtfeld, am 1.4.2020 darf dieses Feld übersprungen werden, kein Aprilscherz. Ich fliege noch zweimal aus der Antragssitzung raus, weil ich ja zur KUR muss. Registrieren bei USP (Unternehmer-Service-Portal der Republik Österreich ohne Impressum) geht nur mit Handysignatur. Haben Sie  diese immer dabei? Nach der KUR kommt die GLN zum Eintragen. Schwitz, Glück gehabt, ich verfüge seit meiner Gewerbeanmeldung im Firmen A – Z  der WKO über ein  Unternehmensprofil. Dort steht sie, die ominöse 13-stellige Zahl, die nur in Corona-Zeiten gebraucht wird, oder? Wieso wacht eigentlich die WKO über dem Härtefallfonds und nicht das Finanzamt? „Bitte Ilse, denk‘ jetzt nicht darüber nach, sonst fliegst wieder raus!!!!“

Endlich Licht am Ende des Formular-Tunnels, ich drücke auf Absenden, Fenster geht auf „Bitte Dokument hochladen“, ich lade die Passkopie hoch, Server-Absturz, paar Minuten später generierte E-Mail in meinem Postfach „Ohne Hochladen keine Antragsbearbeitung“. Außerdem ist mein ausgefüllter Antrag im wahrsten Sinne des Wortes von der Bildfläche verschwunden. Ich bin verärgert und bleibe planlos am PC sitzen. Plötzlich geschieht ein digitales Wunder, ich bekomme eine zweite Chance zum Hochladen und es funktioniert. 500,00 Euro landen am 31.3.2020 auf meinem Konto. Aufwandsentschädigung für die zweieinhalbstündige Antragstellung oder ehrlich gemeinte politische EPU-Unterstützung?