Mittelständler – Helden unserer Zeit und/oder eine Chance für Genderwechsel?

Seit Jahren diskutieren Millennials darüber, dass ihnen nicht-materielle Faktoren wichtig sind. Eine erst kürzlich durchgeführte Studie in 30 Ländern, wo 8000 Millennials befragt wurden, bestätigt diese Wahrnehmung: „90 % der Befragten gaben an, dass sie am stärksten von der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit motiviert sind“. (Deloitte 2017a)

Blickt man sich um, verwundert dieses Ergebnis kaum noch. Seit Wochen hält ein kleiner Virus mit dem Namen Covid-19 die Welt in Atem. Wirtschaftliche Verflechtungen treten an die Oberfläche und der Ruf nach Ent-Globalisierung wird nicht mehr nur leise, hinter vorgehaltener Hand, laut. Die Sehnsucht nach Transzendenz und dem Gefühl, zukünftig wieder einen Beitrag zu etwas zu leisten, zu etwas, das vielleicht größer ist als man selbst, wird lauter. Zurzeit sind uns nämlich die Hände gebunden, abwarten und Tee trinken scheint die einzige Alternative in dieser verrückten Welt zu sein. Und Hände waschen, mehrmals täglich, allerdings nicht in Unschuld wie Pilatus anno dazu mal oder die Mächtigen dieser Welt im Hier und Jetzt.

Falls Hände waschen wider Erwarten nicht funktionieren sollte, können wir ja noch immer ein kleines Stoßgebet zum Himmel schicken: „Oh Herr, schenke Menschen die Vernunft zu erkennen, dass Konsum nicht alles ist, und Konzernen die Kraft zu sehen, dass Lohnkostenverschiebungen in eine fremde Welt außer abhängig nur abhängig machen, und Politikern das Einsehen, dass Probleme durch Verschiebungen nicht gelöst werden.“

Der Ruf nach kleinen Unternehmen, sogenannten Mittelständlern wird wieder lauter. Dort, wo Rekorde bei Gewinnen nicht das erklärte Ziel sind, wo der Erfolg in begeisterten Kunden und sicheren Arbeitsplätzen gemessen wird. Wo die Entscheidungswege nachvollziehbar sind, wo die Leistung des Mitarbeiters mit dem geschaffenen Produkt hergestellt werden kann und wo Verantwortung hoch gehalten wird – gegenüber dem Produkt und der Gesellschaft.

Eine wunderbare Frau, die ich im Zuge unseres Buches „hinreißend zerrissen“ interviewen durfte, sagte während des Interviews spontan zu mir: „Wissen Sie, in unserem Unternehmen bin ich die einzige Frau unter 40 Männern, aber wenn mich Kunden anrufen, um sich bei mir für unsere tüchtigen Arbeiter zu bedanken, dann ist es wie Balsam auf meiner Seele und es klingt fast so als ob sie meine Kinder gelobt hätten“.

Eine Frau, die offen für Rückbesinnung und Neubelebung der unternehmerischen Kultur in ihrer Ganzheitlichkeit ist und die es talentierten Mitarbeitern ermöglicht, nicht nur im Unternehmen mitzuarbeiten, sondern am Unternehmen. Ein Unternehmen, das für Innovationskraft und Unternehmergeist steht. Ein gutes Haus oder einen guten Dachstuhl erkennt man daran, wie er innen aussieht. Das ist kein Ruf nach maschinell erzeugter Perfektion, sondern nach Leidenschaft; nicht nach glatter Fehlerlosigkeit, sondern nach sinnlicher Qualität, die sich aus menschlicher Arbeit ergibt.

Ein paar Gedanken abschließend zum Corona-Virus: Jede Krise ist auch eine Chance. Die Haupt-Nutznießer von Lobbying sollten nicht mehr länger Konzerne oder die internationale Finanzwirtschaft sein. Es gilt viel mehr den Mittelstand in Österreich zu unterstützen, Freiräume für selbständiges Arbeiten zu schaffen und die Wertschöpfung im eigenen Land zu sichern. Menschen dafür zu gewinnen, sollte nicht schwer sein, da sich Menschen gerne verantwortungsvoll einbringen und einen Sinn in ihrer Tätigkeit erfahren wollen. Wenn dabei Generationswechsel noch als Gender-Wechsel gestaltet wird – für einen neuen Führungsstil – wo Menschen wieder gesehen werden, hat sich die Krise schon gelohnt.