Obwohl die Sonne scheint und sich das Donauwasser ruhig und gemächlich flussabwärts seinen Weg sucht, weht ein kalter, fast eisiger Wind.
Nach 5 Wochen „Social Distancing“, oh wie ich dieses Wort mittlerweile hasse, treffe ich meine Geschäftspartnerin und Freundin an der Donau – face to face – sozusagen, weil die Skype Sessions, Telefonate und on-line Austausche der letzten Wochen den persönlichen Kontakt jetzt einfach einmal notwendig machten.
Wir werfen unsere Räder ins Gras, nehmen unsere Getränke und setzen uns, so als ob wir´s nie anders praktiziert hätten, einen Meter entfernt voneinander auf die Steine.
Wow, es funktioniert. Unser kleiner Selbstversuch zeigt, dass die Informationskampagne „Schau auf dich, schau auf mich“ und halte den notwendigen Sicherheitsabstand von 1m Wirkung zeigt. Neue Verbote sind nicht mehr notwendig. Man nennt das auch „Verhaltensdesign“. Verhaltensökonomen halten ja sehr wenig von Verboten, sondern finden es spannend, die Umgebung „neu“ zu gestalten. Auf Corona Zeiten umgemünzt bedeutet das, wenn „wir“ unser Leben anders gestalten, verhalten wir uns automatisch sicherer und bewusster.
Ist das die „neue Normalität“, die uns unsere Regierung nicht erklären kann, aber von der sie so viel spricht?
Wir sind verärgert, traurig und verunsichert und fragen uns, wie wir die zuletzt getroffenen Maßnahmen der Staatssekretärin Lunacek, die auch uns und unsere Lesungen im öffentlichen Raum betreffen, in Zukunft umsetzen sollen? Wie sollen wir 20 m2 Sicherheitsabstand einhalten in öffentlichen Räumlichkeiten, deren Kapazitätsobergrenze bei 100 Personen liegt? Wie sollen wir die Menschen ansprechen? Mit Mundschutz oder ohne? Ist unsere Mimik und Gestik wichtig oder entbehrlich? Heute liegt die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne eines Menschen bei etwa 8 Sekunden, die eines Goldfisches bei 9 Sekunden. Entscheiden Sie selbst. Ja klar, wir könnten statt 50 Zuhörer 5 Zuhörer bitten zu kommen und unser letzte Lesung aus unserem Buch „hinreißend zerrissen“ dann eben im Jahr 2036 abhalten. Aber ist das zielführend und gibt es uns dann noch?
Und sagen Sie jetzt bitte nicht: „Seien Sie doch einfach ein bisschen kreativ!“ Um Klaus Eckel zu zitieren, „wir können nicht immer kreativ sein“. Wenn wir beim wunderbaren Härtefallfonds-Antrag Kreativität spielen lassen, müssen wir uns über zukünftige Lesungen und Aufträge mit Sicherheit keine Gedanken mehr machen. Weil wir dann nämlich im Gefängnis sitzen.
Aber zurück zum Verhaltensdesign. Vielleicht sollten die Regierungen im In- und Ausland ihre überbordenden und bürokratischen Verordnungen, deren Maßnahmen weit über ein gesundes Ziel hinausschießen, zurückziehen. Und Menschen endlich wieder etwas mehr Vertrauen schenken. Schließlich hatten wir, dank dieser Regierungen in den letzten Wochen ausreichend Zeit, uns mit sicherem und bewusstem Verhalten auseinanderzusetzen. Und ja, falls wir Fehler machen, werden wir die Letzten sein, die diese Fehler nicht zugeben. Schließlich wissen wir, gemaßregelte Erdenbürger, längst: Wenn wir aus unseren Fehlern lernen, werden wir bald kleine Genies sein.