Österreich in Woche 5 nach dem Lockdown. Die ersten kleinen Geschäfte öffnen ihre Pforten. Ich selbst muss mir eingestehen, dass meine Einkaufslust überschaubar ist. Überschaubar insofern, da mich weder die Kauflust, noch der Konsumrausch überfällt. Selbst als der Morgen graut, schlüpft die Oniomanie nicht in mein Bett, sie flüstert mir nicht leise zu: „Steh endlich auf, wir können, nein wir müssen heute shoppen gehen.“ Habe ich jetzt einen Virus? Einen Virus mit atypischen Symptomen wie „Brauch Dich nicht“, „Kauf Dich nicht“, „Keine Lust auf Dich“, „meinen Stress bewältige ich auch ohne Dich“. Oder bin ich einfach „über den Berg“, mit anderen Worten total normal – naja – und gesund?
Übrigens Oniomanie nicht zu verwechseln mit Onanie.
„Luther erinnert unermüdlich an das, was Paulus über das sündige Fleisch des Menschen lehrt. Der eheliche Verkehr ist für ihn nur das kleinere Übel: Besser als „die stumme Sünde“ der Onanie, gesünder als das Herumhuren in Bordellen und anständiger als die „Wollüsterey“ in fremden Ehebetten.“
Zurück zu meiner Lust. Warum habe ich keine Lust auf max. 400 m2 große Geschäftsläden? Warum gehe ich mittlerweile widerwillig und nur mehr sehr selten in den Supermarkt? Trage ich doch den Virus in mir, nur asymptomatisch? Seit einer Woche höre ich die Stimme unserer Wirtschaftsministerin „kaufen Sie national und nicht international“, und zwischen den Zeilen höre ich „aber kaufen Sie, kaufen Sie jetzt und kaufen Sie viel, die Wirtschaft braucht Sie, ohne Sie gibt es keine Arbeit“. Ja, aber liebe Frau Minister, die Wirtschaft auf der ganzen Welt braucht mich, soviel Geld hab ich aber nicht.
Das wusste übrigens schon unsere letzte Gesundheitsministerin. Nicht das mit dem Geld, aber das mit der Wirtschaft: „Wer schafft die Arbeit? Sorry, wer schafft die Arbeit. Die Wirtschaft schafft die Arbeit. Bitte merkts Euch das endlich.“
So deutlich wurde unsere jetzige Wirtschaftsministerin natürlich nicht, denn die Arbeit in Österreich schafft ja auch die Politik, oder? Tatsächlich ist in Österreich die Bedeutung des Staates als Arbeitgeber oder als direkter wie indirekter Financier wichtiger Jobs von großer Relevanz. Fast 1 Million Österreicher arbeitet in staatlichen oder staatsnahen Bereichen, insofern verdient die Aussage von Frau Hartinger-Klein diese kleine Ergänzung.
Und die Ansage unserer Wirtschaftsministerin einen perspektivischen Nachsatz: Die österreichischen Institutionen sind uns in den letzten Wochen wieder ans Herz gewachsen, die Menschen im öffentlichen Gesundheits- und Sozialwesen, so wie im Dienstleistungsbereich, haben unsere Erwartungen übertroffen und unser aufrichtiges Lob verdient. All jene Menschen, die Solidarität zeigten und zeigen, verdienen unsere Anerkennung. Von Ihnen Frau Wirtschaftsministerin wünsche ich mir eine Perspektive.
Zu wenig ist ihr Aufruf zum nationalen Kaufrausch. So wenig soll´s nicht sein, denn Shutdown hin oder her, vorher war´s einfach mehr. Mehr Lebens-Perspektive allemal.
Übrigens die Oniomanie, falls ich sie jemals hatte, habe ich zurückgelassen und zwar ganz ohne Entzugserscheinungen.