Ostern 2020 oder was Corona bedingt davon übrig bleibt – Tag 28

In mir schlagen zwei Herzen mit dem Namen „Sinn“ und „Freude“. Seit Tagen brüten und streiten Sinn und Freude nun schon darüber, wie wir Ostern gestalten sollen. Ob wir zu unserer Mutter ins entfernte Waldviertel fahren und der Verordnung Covid-19 mit dem Argument „dringend notwendiger Besuch“ die Krone aufsetzen? Oder ob wir brav im Speckgürtel von Wien zu Hause bleiben und schlicht und einfach zu zweit Ostern feiern und dabei den Satz von Viktor Frankl „Das Leben hat unter allen Umständen Sinn“ vor unserem geistigen Auge auf und ab tanzen lassen, bis wir schlussendlich selbst daran glauben? Aber lesen Sie selbst, welcher unglaubliche Dialog zwischen Sinn und Freude entstand und wer zum Schluss gewann.

Sinn: Ich verstehe nicht, wie du auf diese grenzdebile Idee kommen kannst, diese alte Frau, noch dazu aus der Risikogruppe, besuchen zu wollen. Und ich muss dir jetzt nicht einzeln all ihre Vorerkrankungen aufzählen, oder doch? Grenzen sind da, um nicht übertreten zu werden, verstehst du das nicht?

Freude: Das ist wieder einmal typisch für dich, nur weil du deine Sinngebung bereits gefunden hast, kannst oder willst du mich nicht verstehen. Aber weißt du was, nicht immer macht Sinn, was Freude macht. Erinnere dich an ihr strahlendes Gesicht zu Ostern, die Freude gemeinsam und nicht einsam das Osterfest zu feiern. Und jetzt, jetzt sitzt sie alleine zu Hause, alleine mit ihrem Osternest, dem Palmbesen in der Vase, den sie übrigens am Palmsonntag im Beisein vom TV-Pfarrer selbst gesegnet hat. Meine Freude hält sich bei diesem Gedanken in Grenzen. Deswegen studiere ich seit Wochen die Handvoll Daten, die uns die Regierung in kleinen Portionen fast täglich serviert. Sie sind widersprüchlich, unausgegoren, intransparent und teilweise nicht nachvollziehbar. Joki Kirschner hätte wahrscheinlich gesagt: „Daten machen glücklich, wenn man rechtzeitig darauf schaut, dass man´s hat, wenn man´s braucht.“

Sinn: Wozu brauchst du Daten?  Die Außengrenzen sind geschlossen und jetzt werden auch innerhalb Österreichs Grenzen eingeführt. Bürgermeister freuen sich auf den Besuch der Zweitwohnbesitzer im Sommer und werben zu Ostern mit „bleibt zu Hause“. Andere Bürgermeister drehen einfach in der Schrebergartensiedlung das Wasser nicht auf.  Das Motto dieser Aktion „führe mich erst gar nicht in Versuchung“. Wozu brauchst du also Daten?

Freude: Ich brauche mehr Klarheit und eine Perspektive für mich und mein Umfeld. Ich will wissen, nach welchen Kriterien die Politik über Lockerung oder Straffung der Maßnahmen entscheidet. Wenn wir Ostern dieses Jahr verschieben? Wohin verschieben wir es? Ins nächste Jahr?

Sinn: Was du da sagst macht durchaus Sinn, auch ich muss zugeben, dass ich mich manchmal schon gefragt habe, war die Vollbremsung der Regierung auch wirklich notwendig und wenn ja, welcher wissenschaftliche Datenpool hat sie gelenkt?

Freude: Ja siehst du, jetzt kommen wir der Sache schon näher. Zurzeit spricht unsere Regierung vom Replikationsfaktor „RO“ und vom Abflachen der Kurve und von der Überlastung des Gesundheitssystems. Wobei keiner so genau weiß, wie viele Intensivbetten wir in Österreich eigentlich haben und wie viele Beatmungsgeräte uns wann und wo zur Verfügung stehen.

Sinn: Ja, darüber wüsste ich auch gerne Bescheid, schließlich bin ich der Sinn und muss wissen, wie ich einen Verlust „Nestwärme zu Ostern“ durch eine Sinngebung wieder wettmachen kann. Und dafür muss ich wissen, welche Experten an diesen Entscheidungen beteiligt sind und welche wissenschaftlichen Publikationen dem zugrunde liegen. Aber ich sag´ dir eins, in der Zwischenzeit tröste ich mich mit den Worten von Viktor, Viktor E. Frankl: „Das Leben hat unter allen Umständen Sinn“.

Freude: Ich lache. Ja, das Ganze hat schon auch Sinn, denn jetzt weiß ich, was mir wirklich fehlt: die Herzlichkeit meiner Mutter, ihr Lachen, ihre Augen, die strahlen, wenn sie mich in die Arme schließt, ihre liebevolle Fürsorge und ihr unerschütterlicher Optimismus mit den Widrigkeiten des Lebens zu Recht zu kommen.