Pressekonferenz des „Virologischen Quartetts“ oder der Scherbenhaufen eines Sextetts – Tag 354 der Corona Krise

Die mit Spannung erwartete Pressekonferenz sorgte wieder einmal für grobe Enttäuschung und Frustration. Nicht weil die Öffnungsschritte vorsichtig angedacht und Vorarlberg als Pilotland voranschreiten darf und ich leider nicht in Vorarlberg lebe, sondern im Umfeld von Wien zu Hause bin. Nein, nicht deswegen, sondern weil ich wieder einmal sah, wie inkonsequent die Regierung agiert und wie paradox die Regeln gestaltet und ausgelegt werden. Apropos paradox. Paradoxe Interventionen helfen ja bekanntlich gewohnte Muster zu durchbrechen, haben Sie schon einmal darüber nachgedacht? Selbst das Corona Präventionsparadox hätte klar und transparent kommuniziert werden können, wenn man sich nicht aufgrund der Fülle von Themen in Schein Priorisierungen verstrickt.  Dazu mehr am Ende meiner Ausführungen zur heutigen Pressekonferenz und deren Mythen über Corona Lockerungen.

Ob die geplanten Öffnungsschritte jenen Menschen helfen, die vor der Krise bereits zu kämpfen hatten und während der Krise noch tiefer gesunken sind, wurde übrigens mit keiner Silbe erläutert. Wozu auch? Es verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass bestehende Spaltungslinien toleriert werden und das Thema Ungleichgewicht wieder an Priorität verloren hat. Übrigens auch eine Möglichkeit der Schein Priorisierung, wenn Prioritäten für ein Thema ständig wechseln zwischen wichtig und unwichtig und Politiker dabei auf Zeitdruck setzen, schließlich will alles geschafft werden.

Einzig und allein die Not junger Menschen wurde von Gesundheitsminister Anschober thematisiert und mit ersten Lockerungsmaßnahmen im Sportbereich sogleich therapiert. Diesen Umstand verdanken wir nicht zuletzt einer qualitativen Studienumfrage, die erst vor drei Wochen dokumentierte, dass 70 % der Jugendlichen unter 26 sich einsam fühlen. Sie erleben Einsamkeit in einem Ausmaß tiefer Melancholie und Traurigkeit. Die beträchtliche Zunahme an psychischen Erkrankungen ließ erst vor kurzem die Alarmglocken der Kinderpsychiatrie in Wien schrillen und erste Headlines  mit dem Titel „Triage bei Kindern und Jugendlichen“ verschafften die notwendige Aufmerksamkeit.

Ich halte kurz inne und lese den letzten Absatz noch einmal und er macht mich unendlich traurig und mein politischer Frust über diese Regierung wächst. Bin ich verwirrt, weil ich einen Mangel an demokratischer Kultur in der derzeitigen politischen Elite beobachte? Bin ich kindisch oder weibisch, weil ich der Meinung bin, dass ein politischer Skandal den nächsten jagt? Bin ich zu intolerant, weil mich die geringe Fehlerkultur politischer Amtsträger aufheulen lässt? Oder erleben wir bereits eine politische Krise eingebettet in den täglichen Corona Wahnsinn?

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin nach wie vor froh in Österreich geboren zu sein und hier zu leben, aber ich bin nicht länger Stolz auf einige Vertreter unseres Landes. Auf Politiker deren Rahmenbedingungen mir die Haare zu Berge steigen lassen und die meiner Meinung nach nicht danach trachten für UNS ALLE ein besseres Leben zu schaffen.

Irgendwie passt es nicht mehr. Die Regeln sind nicht mehr konsistent, sie sind nicht einmal mehr fair, die epidemiologische oder infektiologische Evidenz der Regeln ist mir im Laufe der letzten zwölf Monate abhanden gekommen. Ja, so ganz und gar nicht mehr schlüssig. Ja, ich bin privilegiert und ja ich hatte eine gute Bildung und ja ich lebe unabhängig in einem der schönsten Länder Europas und trotzdem oder gerade deswegen läuten bei mir die Alarmglocken, wenn ich sehe und höre, dass die Irrationalität nach wie vor Ihre Blüten treibt: „Testen, testen, testen, aber bitte keinen Gratisschnelltest für mich. Ich bin schließlich kein Mitglied der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA)“

Wenn ich davon ausgehe, dass selbst ich 5 Tests zum Preis von Euro 21,10 erhalten kann und ich die simple Annahme treffen muss, dass sich von 517.000 Menschen, die durch Ihre Regeln ausgeschlossen werden, 70 % monatlich testen würden, fallen monatlich für den Bund Kosten in Höhe von 7,6 Mio Euro an. Ist unseren Politikern diese Summe zu hoch? Ist Ihnen der damit verbundene Schutz der Gemeinschaft nichts wert?

Wenn unsere Politiker es manchen Gruppen (Gratistest nur für Hauptverbandsmitgliedern) nachhaltig leichter machen und anderen (Grenzgängern, Nicht-Elga Mitgliedern, Versicherte bei Krankenfürsorgeanstalten von Bund und Ländern) nachhaltig schwerer machen, verstehen Sie Ihren Job nicht richtig. Oder?

Liebe Regierung es ist ihre Verantwortung Rahmenbedingungen für uns Bürger zu schaffen. Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, um unser Leben und das unserer Gemeinschaft sicherer zu machen. Und ja dazu gehören auch Tests. Es ist hingegen nicht ihre Aufgabe soziale Ungleichheiten zu verstärken und Lasten und Pflichten weniger gerecht zu verteilen. Dieser Test wird vom Bund aus Steuergeldern bezahlt, indirekt habe ich, falls ich mich nicht irre, diesen Test also bereits bezahlt. Daher wünsche ich mir auch, dass er ALLEN in Österreich lebenden Menschen zur Verfügung gestellt und niederschwellig angeboten wird. Ich nenne das: GERECHTE VERTEILUNG.

Seit Dezember 2020 beziehe ich diesen Test aus Apotheken, ja ich kauf mir diesen Test, um mein Umfeld und mich so gut wie nur irgendwie möglich vor dieser Infektion zu schützen. Sprich ich warte nicht darauf, dass sie mir sagen, was ich tun soll. Ich weiß, was zu tun ist und agiere mit den mir zur Verfügung gestellten Mitteln.

Aber ich erwarte mir, dass Sie endlich klar kommunizieren und Sie die Bevölkerung Österreichs ernst nehmen. Wir wollen Teil eines gemeinsamen Plans sein, der uns motiviert durchzuhalten, um so möglichst gut durch die Zeit zu kommen, auch wenn sie noch etwas dauern sollte.

Übrigens das Präventionsparadoxon bedeutet sich gemeinsam und nicht einsam mit Menschen darüber zu freuen, dass sie sich an Regeln hielten und dadurch die Infektionszahlen für lange Zeit niedrig blieben. Die Menschen erkannten sichtlich nicht, dass Sie Teil der Lösung waren und die Politiker verstanden nicht, dass es an der Zeit gewesen wäre dieses Phänomen mit klaren Worten zu beleuchten.