Ich gehöre zur Risikogruppe. Nicht zu jener, an die Sie vielleicht denken. Ich bin weder alt, also um ehrlich zu sein nur mittelalt, noch habe ich mir bekannte Vorerkrankungen, sondern nur ein bis zwei Laster, die ich allerdings ausschließlich mit meinem Therapeuten bespreche. Nur soviel, ich bin nicht alleine.
Aber ich will heute hier und jetzt nicht meine Laster mit Ihnen teilen, sondern die Risikogruppe der EPUs in diesem Blog thematisieren.
Vor rund 6 Wochen kam es zum Lockdown der Wirtschaft, um die Ältesten, die Systemerhalter und jene Personen, deren Immunsystem nicht mehr zu 100 % funktioniert, vor Covid-19 zu schützen. Eine von mir, zumindest zum damaligen Zeitpunkt, nicht in Frage gestellte Handlung. Fast täglich wurden wir, ob wir wollten oder nicht, mit dem Unwort Risikogruppe konfrontiert. In den unzähligen Pressekonferenzen unserer Regierung, deren Informationsgehalt übrigens von Woche zu Woche schwächer wird und mittlerweile bei fast Null liegt, stimmten sie die Bevölkerung auf das, was noch auf uns zukommt „100.000 Tote“ ein. Wirtschaftliche Folgen wurden ausgespart. Verhältnismäßigkeit niemals in Frage gestellt.
Jetzt Wochen später wissen wir, dass auch wir, wir Selbständigen, also wir kleinen EPUs zur Risikogruppe zählen. Nicht zur Risikogruppe I der letzten Wochen, sondern zur Risikogruppe II der neuen Normalität. Ein weiteres Unwort übrigens. Was heißt hier bitte schön neue Normalität? Was soll ich mir unter einer neuen Normalität vorstellen? Wollen sie mir damit erklären, dass es in schwierigen Zeiten nicht nur Gewinner, wie den Lebensmittelhandel z.B., geben kann, sondern auch Verlierer, wie die EPUs z.B., geben wird.
Während die Risikogruppe I der letzten Wochen das Naturereignis Corona höchstwahrscheinlich unbeschadet überleben wird, werden viele Menschen der Risikogruppe II in das österreichische Sozialsystem gedrängt werden. Vielleicht noch nicht gleich, aber ohne Rücklage wird sich uns die Frage in ein paar Monaten nicht mehr stellen. Ich will mich nicht beklagen, denn wir haben noch Rücklagen, doch alle unsere Teamentwicklungsprozesse wurden abgesagt, die Lesungen in den Herbst verschoben und einige Workshops storniert. Unser Business über ein Webinar anzubieten, können wir uns nicht vorstellen, da sich unser Geschäftsmodell auf soziale Interaktion, Mimik, Gestik und Ausdruck versteht.
Also schreiben wir, schreiben wir Blogs, wie diesen eben, ohne genau zu wissen, was daraus wird. Denn wir wollen arbeiten und nicht zum Nichtstun „verurteilt“ sein. Und wir wollen lernen. Wir wollen Corona und die Entscheidungen der letzten Wochen verstehen lernen. Wir wollen wissen, warum es für uns Kleinen einen Härtefallfonds gibt, dessen Phase I Entschädigungsleistung ein Hohn für arbeitende Menschen ist. Und wir wollen verstehen, warum die Phase II unter dem Titel „bitte haben Sie noch etwas Geduld“ in eine endlos Warteschleife verpackt wird. Wir wollen uns ansehen, welche Mixtur an kniffeligen Formeln der Entschädigungsleistung zu Grunde liegt. Formeln, die anscheinend nur Wenige in Wahrheit verstehen und deren Richtliniencocktail sie täglich ad absurdum führt.
Vereinfacht ausgedrückt, wir wollen Antworten. Allerdings keine ausweichenden Antworten und auch keine Antworten, die uns hinterher genauso klug erscheinen lassen, wie zuvor. Wir wollen klare Antworten auf Fragen wie: Warum wurde das Epidemiegesetz aus dem Jahr 1950 gekippt? Warum wurde ein bürokratischer Prozess aus dem Boden gestampft, dessen Mehrwert weder effektiv noch effizient erscheint? Warum werden Unternehmen jetzt informiert, dass die beantragte Unterstützungs-leistung für Kurzarbeit noch länger auf sich warten lässt? Vielleicht sogar bis zu 12 Monate auf sich warten lassen wird? Weil dem so ist? Vergrößert die Pandemie die Grenze zwischen Arm und Superreich und falls ja, was tun unsere Regierungsvertreter dagegen? Welche wirtschaftlichen Maßnahmen gegen das Coronavirus wird unsere Regierung in naher Zukunft setzen? Mit welchem „Cocktail“ wird unsere Regierung ein langfristiges und noch weiteres Abgleiten in Richtung Depression verhindern? Welche zusätzlichen Rahmenbedingungen werden sich Politiker überlegen, um die Nachfrage stärker und rascher anzukurbeln? Die Nachfrage nach Dienstleistungen, die sich vielleicht in einem halben Jahr keiner mehr leisten kann?
Laut dem Epidemiegesetz aus dem Jahr 1950 hätten übrigens auch Pflegerinnen Anspruch auf Entschädigung sowie Personen, die vom Tag- oder Wochenlohn leben, oder Personen die aufgrund der Kleinstunternehmerregelung keiner Einkommenssteuer unterliegen. Ganz einfach und unbürokratisch und wir müssten nicht zwischen Risikogruppen I und II und vielleicht III und ……unterscheiden lernen.
Übrigens mein Antrag auf Entschädigung für Verdienstentgang gemäß § 32 des Epidemiegesetzes 1950 ist am Weg.