Es ist ein regnerischer Tag und ich lausche unaufgeregt aber aufmerksam den klaren und starken Worten unserer Kulturstaatssekretärin, Ulrike Lunacek. Eine Frau, die in den vergangenen Wochen aus fast allen „Ecken“ Österreichs sehr harte Worte der Kritik einstecken musste. Wieder einmal eine Frau…..
Konzentriert verfolge ich jedes einzelne Wort und gebannt stelle ich fest, dass bei dieser Pressekonferenz nicht nur eine aufrichtige, sondern auch integre Persönlichkeit ihre Frau steht. Eine Frau, die vor Wochen bei einer ihrer ersten Covid-19 Pressekonferenzen zu keinem Zeitpunkt die richtigen Worte fand und den Kulturtreibenden Österreichs mit ihrem „Geschwurbel“ jede Perspektive und Planbarkeit nahm. Heute an diesem kalten, feuchten Freitag deutet wenig daraufhin, dass sie nicht weiß, wovon sie spricht und was zu tun sei. Ganz im Gegenteil. Klar und strukturiert spricht sie den Fahrplan des Regierungsübereinkommens an und die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden zur Umsetzung der Kunststrategie „Fair Pay“. Fair Pay bedeutet einfach, hinzusehen und zu begreifen, dass Kulturarbeit Arbeit ist und eine faire Entlohnung verdient. Dank Corona leuchten die Schweinwerfer jetzt hell, es bedarf keines Vergrößerungsglases, um die blinden Flecken unserer Gesellschaft Woche für Woche zu sehen.
Ich bin weder Künstlerin noch komme ich aus dieser „Ecke“, trotzdem haben mich ihre Worte während dieser kurzen Pressekonferenz sehr berührt und ich habe mir die für viele wahrscheinlich nicht nachvollziehbare Frage gestellt: „Wieso wurde diese Frau ein Bauernopfer? Wieso wurde sie zum Sündenbock einer ganzen Nation gestempelt?“ Für einen höheren Zweck wohl kaum. Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Regierungsvertreter das Übereinkommen nochmals aufschnüren und ein Medien- und Kulturministerium mit budgetärer Hoheit in naher Zukunft schaffen. Nicht zu Corona Zeiten und wohl auch nicht danach. Also warum diese öffentliche Hinrichtung in einer Zeit, wo wir Kontinuität bräuchten?
Schauen wir uns die Kunst- und Kulturagenden der letzten Jahre genauer an, sehen wir, dass Kunst und Kultur viele Jahrzehnte lang beim Unterrichtsministerium angesiedelt war. In Deutschland ist die Staatssekretärin übrigens direkt der Bundeskanzlerin zugeordnet und somit zur Chefsache erklärt worden. Daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass die deutsche Bundesregierung bereits vor Tagen mit Unterstützung in Milliardenhöhe und weiteren Förderleistungen aufhorchen ließ.
Nicht so in Österreich. In Österreich ist nur eines auffällig: Die Zuständigkeiten wechselten seit den 70iger Jahren mehrmals. Das Wissenschaftsministerium wanderte 2013/14 zum Wirtschaftsministerium. Die Auslandskultur ist seit 1973 beim Außenministerium angesiedelt.
Und mit 29. Jänner 2020 wechselte die bisher im Bundeskanzleramt angesiedelte Sektion II Kunst und Kultur in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport.
Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Erhalt von Kultureinrichtungen und Kulturorten nicht Priorität zu haben scheint. Dass allerdings auch mit der Existenz jener gespielt wird, die mit Kunst und Kultur ihren Lebensunterhalt verdienen, ist wirklich enttäuschend, um nicht zu sagen verabscheuungswürdig. Parallelen dazu sieht man seit Wochen beim Härtefallfonds. Obwohl es hier bereits einen Maßnahmenkatalog gibt, kommen gesetzte Maßnahmen weder bei EPUs noch bei Neuen Selbständigen an. Verschärfend dazu kommt, dass es sich um Förderungen handelt und es daher keinen Rechtsanspruch gibt.
Doch zurück zur Kunst- und Kulturszene in Österreich. Dank der großartigen Vielfalt an einzigartigen Menschen in unserem Land sind wir als österreichische Kulturnation mit einem Wertschöpfungsfaktor von rund 9 Mrd. Euro weit über die Grenzen hinaus bekannt geworden.
Vielleicht könnten sich unsere Politiker mit folgendem Kulturzitat von Friedrich Ratzel identifizieren oder es sich zumindest zu Herzen nehmen:
„Das Wachstum der Kultur beruht auf einem Weitergeben der Arbeit von einem Volk an ein anderes, auf einer Verpflanzung von einem Boden auf den anderen. Der geschichtliche Wert eines Volkes liegt daher zu einem großen Teil in dem, was es anderen zu geben im Stande ist.“