Ich habe vor rund zwei Wochen eine herrliche Diskussionsrunde in Sport + aus dem Jahr 1989 zum Thema „Mentale Stärke mit Hypnose“ mitverfolgt. Sigi Bergmann war der Moderator und ich war begeistert und fasziniert zugleich. Nicht von oder wegen Sigi, obwohl er zu Beginn dieser Sendung, sichtlich mental gestärkt, über heiße Kohlen ging. Auch nicht wegen seiner Namensgleichheit mit meinem Mann oder wegen des fantastischen Inhalts „Mentale Stärke im Spitzensport mit Hypnose“, oder vereinfacht ausgedrückt, durch die Programmierung des Unterbewusstseins.
Ein abendfüllendes Thema, wir und unser Unterbewusstsein. Wir können es tunen, obwohl es uns sehr oft einen Strich durch die Rechnung macht und manche Wirklichkeiten verzerrt oder in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Mich faszinierte an dieser Sendung weniger die Hypnosemöglichkeit, sondern die Interaktion und Kommunikation der Menschen in der von Sigi Bergmann moderierten großen Runde.
In dieser Runde saßen Wissenschaftler, Sportler, Mediziner, Psychologen und ein Moderator und jeder hatte eine angenehme, unaufgeregte Art und Weise sich mitzuteilen. Jeder hatte seinen Stil, seine spezielle Ausdrucksweise. Fast so als wollten sie nur kurz etwas zum Besten geben. Unaufgeregt und emotionslos teilten sie persönliche Erfahrungen und wissenschaftliche Zugänge. Es war schön zu sehen, dass diesen kontroversiellen Zugängen Platz eingeräumt und interessiert zugehört wurde. Keiner versuchte den anderen zu überzeugen, im Sinne von „Sie sind mein Mann oder meine Frau, wenn Sie meiner Meinung sind“. Keiner versuchte den Anderen zu übertrumpfen: „…..der beste Präsident, den Gott je erschaffen hat“, oder zynisch außer Kraft zu setzen: „Er ist ein netter Kerl, aber ein kompletter Dummkopf“.
Keiner pochte darauf, die Weisheit mit dem Löffel gegessen zu haben und die eigene Meinung als die „universelle Wahrheit“ manifestieren zu wollen.
Ich habe mich lange gefragt, warum ich diese Diskussionsrunde, im Vergleich zu heute oftmals erlebten Diskussionsrunden, so angenehm empfand? War es der Männeranteil in dieser Runde? Das Altersspektrum? War es die Stimme des Moderators? Das äußere Erscheinungsbild der Teilnehmer? Nein, mit Sicherheit nicht. Es war ihre Sprache und ihre ehrliche Unaufgeregtheit zuzugeben: „Wir lernen Hypnose gerade erst einmal kennen.“ Und es war wie ein stilles Übereinkommen: „Wir können nicht 100 % kommunizieren, wenn wir jedes gesprochene Wort in dieser Sendung wie ein Pathologe sezieren. Außer wir wollen NULL Mehrwert.“ Anders erklärt: Eine Frau fährt mit ihrem roten Auto den Berg hinunter und trifft in einer Kurve auf zwei Jäger, die mit ihrem Jeep den Berg hinauffahren. Sie ruft ihnen zu: „Schweine“. Einer der Männer zeigt ihr den Mittelfinger und ruft: „Was bilden Sie sich eigentlich ein!“ Als die Männer in ihrem Jeep um die Kurve biegen, schießen sie mit ihrem Auto ein Schwein ab.
Welche Wohltat wäre es, wenn in Corona Zeiten mehr Unaufgeregtheit unter all den Experten, Politikern und Mitmenschen herrschen würde. Und ich fürchte, ich kann mich dabei nicht ausschließen, gerne hätte ich die allumfassende Lösung bereits vor 3 Wochen präsentiert. Aber was wäre, wenn wir uns alle eingestehen könnten: Wir lernen gerade mit dem Virus zu leben. Wir haben Zweifel und wir machen Fehler. Edison hätte ohne Fehler nie die Glühbirne erfunden. Schließlich sind wir Menschen und keine Roboter. Kritische Fragen stellen zu dürfen ist unser Recht, aber die allumfassende Weisheit in uns vereint zu sehen, aber die allumfassende Weisheit mit dem Schöpflöffel gefressen zu haben, ist weder ein demokratisches Grundrecht noch in unsrer Verfassung verankert.